Kreishandwerkerschaft Gütersloh-Bielefeld
06.01.2025

Online-Vortrag: Fleiß, Optimismus und neue Ansprüche an die Arbeitswelt

Prof. de Moll

In einem Gastbeitrag für die Kreishandwerkerschaft beleuchtet Prof. Dr. Frederick de Moll von der Uni Bielefeld die Einstellungen junger Menschen in Bezug auf die Bereiche Ausbildung und Arbeit. Der Bielefelder Erziehungswissenschaftler ist Mit-Autor der jüngst erschienenen Shell-Jugendstudie. Am 31.1. steht Prof. Dr. Mol in einem Online-Vortrag zur Verfügung.

Wenn in den letzten Jahren über junge Menschen gesprochen wurde, zeichnete die öffentliche Debatte häufig ein eher negatives Bild von der Jugend. Kritische Einschätzungen der älteren Generation gegenüber der nachfolgenden sind dabei kein neues Phänomen: Schon seit der Antike zweifeln Ältere daran, ob Jüngere Verantwortung in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik übernehmen können. Besonders die sogenannte Generation Z wurde oft als verweichlicht und führungsunfähig („Generation Schneeflocke“) oder als faul und wenig leistungsbereit („Generation Feierabend“ oder „Generation Hängematte“) dargestellt. Gleichzeitig betonte man ihre Ansprüche an eine gute Work-Life-Balance, hohe Flexibilität und geringere Loyalität gegenüber Arbeitgebern. Diese Darstellungen spiegeln sich in zahlreichen Medienbeiträgen wider.

Junge Menschen und traditionelle Werte

Online-Vortrag

Prof. Dr. de Moll wird uns am 31.1. von 11.30 – 13.00 Uhr für einen kurzen Online-Vortrag mit anschließendem Austausch zur Verfügung stehen.

Die neuesten Ergebnisse der Shell-Jugendstudie, die im Oktober 2024 veröffentlicht wurde, widersprechen diesen Vorurteilen in vielerlei Hinsicht. So geben 57 % der befragten Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren an, dass „fleißig und ehrgeizig sein“ für sie sehr wichtig ist, während weitere 25 % dies als eher wichtig einstufen. Lediglich 6 % lehnen Fleiß als Wert ab. Ähnlich hoch ist die Bedeutung von Sicherheit: Insgesamt 87 % der Jugendlichen messen diesem Aspekt große Bedeutung bei.

Auch das Streben nach einem hohen Lebensstandard spielt eine wichtige Rolle. 74 % der Befragten nennen dies als ein zentrales Lebensziel – ein klares Zeichen dafür, dass viele bereit sind, für ihren Erfolg hart zu arbeiten. Gleichzeitig zeigt sich eine starke Orientierung an traditionellen Werten wie Familie, Partnerschaft und Freundschaften.

Optimismus trotz großer Herausforderungen

Ein weiteres überraschendes Ergebnis der Studie ist die optimistische Grundhaltung vieler junger Menschen. Die Mehrheit blickt hoffnungsvoll in die Zukunft und ist überzeugt, dass Deutschland ihnen gute Chancen für ein gelungenes Leben bietet. Sie erwarten, nach Ausbildung oder Studium vom Betrieb übernommen zu werden oder einen Arbeitsplatz zu finden.

Allerdings sind auch Sorgen spürbar, insbesondere durch die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die steigende Inflation. So äußern 81 % der Jugendlichen eine wachsende Angst vor Krieg, während 67 % sich vor Armut fürchten. Die Inflation wird von vielen Jugendlichen als besonders belastend beschrieben: Auszubildende berichten beispielsweise, dass ihre Ausbildungsvergütung nach Ausgaben für Fahrtkosten und Lebensmittel kaum noch ausreicht. Auch gesellschaftliche Herausforderungen wie der Klimawandel und zunehmende Zuwanderung bereiten vielen Sorgen, besonders im Hinblick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Dabei ist es wichtig, die Perspektive der jungen Generation zu verstehen: Sie ist in einer „superdiversen“ Gesellschaft aufgewachsen – einer Gesellschaft, in der kulturelle Vielfalt und unterschiedliche Lebensweisen alltäglich sind. Für die meisten Jugendlichen ist Toleranz gegenüber anderen Kulturen selbstverständlich, und sie erwarten dies auch von ihrem Umfeld.

Erwartungen an die Arbeitswelt

Die Shell-Jugendstudie zeigt, dass junge Menschen konkrete Erwartungen an ihren Arbeitsplatz haben. Neben Leistungsbereitschaft und Sicherheit zählen ein gutes Arbeitsklima (62 %) und das Gefühl, für die eigene Arbeit anerkannt zu werden (86 %) zu den wichtigsten Aspekten. Betriebe, die eine offene und unterstützende Atmosphäre schaffen, können ihre jungen Fachkräfte langfristig motivieren und binden. Dabei spielen nicht nur eine faire Vergütung, sondern auch soziale Eingebundenheit und klare Perspektiven eine zentrale Rolle.

Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte

Im Hinblick auf Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte zeigt die Studie interessante Einblicke. Beim Thema Migration kommen manchen Lesenden vermutlich aktuelle Debatten in den Sinn, in denen gerade von rechten Politikerinnen und Politikern der Vorwurf geäußert wird, junge Geflüchtete und Zugewanderte würden in die Sozialsysteme einwandern. Hierfür gibt es zum einen keinen seriösen wissenschaftlichen Beleg. Zum anderen zeigen Studien das Gegenteil: Zugewanderte leisten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland. Die Daten der Shell-Jugendstudie untermauern diesen Befund: Viele Jugendliche ohne deutsche Staatsbürgerschaft zeigen eine ausgesprochen bodenständige Haltung zum Berufsleben. Sie wünschen sich feste Arbeitszeiten, sind bereit, Überstunden zu leisten, sofern diese entlohnt werden, und legen weniger Wert auf flexible Arbeitsmodelle. Gleichzeitig sind sie ehrgeizig und bereit, hart zu arbeiten, um sich ein gutes Leben aufzubauen. Erfüllung und die Vereinbarkeit des Berufs mit weiteren Lebensinhalten stehen demgegenüber weiter unten auf der Wunschliste speziell dieser Gruppe, das heißt Teilzeit, Heimarbeit oder flexible Arbeitszeiten sind für bodenständige Jugendliche weniger wichtig. Auf insgesamt knapp ein Viertel der Jugendlichen trifft die bodenständige Erwartungshaltung gegenüber dem Berufsleben zu. In dieser Gruppe findet sich die relative Mehrheit (27%) derjenigen ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Auch Jugendliche mit einfachen und mittleren Schulabschlüssen können zu großen Teilen als bodenständig beschrieben werden.

Ein weiterer großer Teil der nicht-deutschen Jugendlichen gehört einer Gruppe von Jugendlichen an, die wir in der Shell-Jugendstudie als “durchstartend” bezeichnen. Diese Jugendlichen streben nicht nur nach materiellen Werten, sondern auch nach persönlicher Erfüllung im Beruf. Sie erwarten jedoch von Arbeitgebern transparente Informationen über berufliche Perspektiven und Zukunftsaussichten in ihrer Branche. Für ihre Flexibilität spricht, dass unter den durchstartenden Jugendlichen 62 % sagen, dass sie bereit sind, sich in ihrem Leben beruflich immer wieder neu zu orientieren.  

Zwischen Leistungsbereitschaft und weiteren Lebenszielen

Die Frage nach der sogenannten Work-Life-Balance beschäftigt aktuell viele Menschen, ist aber vielschichtiger, als es der Begriff nahelegt. Arbeit wird von vielen Jugendlichen als wichtiger Teil ihres Lebens angesehen, aber ihre Vereinbarkeit mit anderen Lebenszielen ist zunehmend bedeutsam. So geben 80 % der Jugendlichen an, dass sie sich flexible Arbeitszeiten wünschen, die sich an veränderte Lebensumstände anpassen lassen. Insbesondere junge Männer möchten im Familienleben aktiver sein: Viele wünschen sich zeitweise eine 30-Stunden-Woche, wenn sie Kinder haben – ein Wandel, der das traditionelle Rollenmodell des männlichen Haupternährers zunehmend ablöst.

Gerade junge Menschen, die nach dem Schulabschluss (häufig nach dem Abitur) im Berufsleben durchstarten wollen, erwarten neben materiellem Nutzen und guten Karriereperspektiven auch eine hohe persönliche Erfüllung von ihrer Arbeit. Sie sind flexibel und leistungsbereit, möchten aber neben der Erwerbsarbeit auch anderen Interessen nachgehen können und legen Wert auf eine gute Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf.

Empfehlungen für Betriebe

Die Shell-Jugendstudie liefert ein differenziertes Bild der jungen Generation in Deutschland. Sie zeigt, dass viele Jugendliche traditionelle Werte hochhalten, fleißig und leistungsbereit sind und optimistisch in die Zukunft blicken – trotz der Herausforderungen, die sie bewältigen müssen.

Für Betriebe, die als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen werden möchten, lassen sich aus den Ergebnissen klare Handlungsfelder ableiten: 

  • Faire Vergütung: Angemessene Gehälter, die den Lebensunterhalt sichern, sind eine Grundvoraussetzung. Besonders für Auszubildende ist dies ein zentraler Punkt.
  • Flexibilität und Vereinbarkeit: Arbeitszeiten sollten sich flexibel an Lebenssituationen anpassen lassen, um jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, Familie, Beruf und andere Ziele in Einklang zu bringen.
  • Anerkennung und soziale Eingebundenheit: Wertschätzung, ein gutes Betriebsklima und klare Kommunikation sind entscheidend, um das Engagement der jungen Generation zu fördern.
  • Transparente Karriereperspektiven: Junge Menschen schätzen klare Informationen zu beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und zu den Zukunftsaussichten ihrer Branche.
  • Toleranz und Vielfalt: Ein offenes und inklusives Arbeitsumfeld, das die kulturelle Vielfalt respektiert, entspricht den Erwartungen der jungen Generation und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Durch diese Maßnahmen können Betriebe nicht nur junge Talente gewinnen, sondern ihnen auch Perspektiven bieten, die sie langfristig motivieren und binden.

Viele der genannten Punkte, wie beispielsweise die soziale Eingebundenheit und die guten Zukunftsperspektiven, zeichnen gerade handwerkliche Ausbildungen aus. Das Handwerk scheint hier gute Voraussetzungen mitzubringen, um für die junge Generation ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.

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